Sonntag, 4. Mai 2008 Mutter Natur ist ein böses Weib
(von Mathias.Muench)
543,9km - JoJo (485,8 Pkt.) Der Außenlandung ein paar mal von der Schippe gesprungen, gemütliche Übernachtung in Niederöblarn schon fest im Blick, dann doch noch mal verleiten lassen. 50 Schilling Wiese kennengelernt.
Time: UTC
07:58 - 08:16 Start in Unterwössen, F-Schlepp zum Rechenberg und recht optimistischer Beginn. Der Abflugbart bis über 2100m ist für die Jahres- und Tageszeit nicht schlecht.
08:16 - 08:50 Inntalquerung - Die Basis liegt in 2000m, die Labilität fühlt sich aber gut an. Es fällt der Entschluss, das Karwendel heute eine Kette weiter nördlich anzugehen, also geht es zügig zum Wendelstein. Der Wind kommt doch deutlich aus Nord, die Sucherei im Lee des Wendelstein gestaltet sich etwas zäher, als erwartet. Aber nachdem der Bart gefunden ist, funktioniert er auch problemlos.
08:50 - 09:48 Durch's Karwendel - So niedrig wie noch nie, aber durch die nördliche Route hat man den Eindruck, das ganze Flachland zum Landen zu haben. Die Bärte gehen zuverlässig. Am Walchensee wird es zwar überraschend schlecht, aber bisher waren die Bedingungen gut. Also muss es doch auch weiter gehen. Ich hänge die Entscheidung an die Kante von Krün nach Garmisch, aus 1600m ist aber die Krüner Wiese schon ziemlich nah. Der vorerst beste Bart des Tages am Wank mit über 3m/s macht den Weiterflug klar.
10:38 - 11:36 Absaufer in den Allgäuer Alpen - Der Psycho-Klassiker: Wenn man hinreichend entscheidungsfaul ist, dann hängt man irgendwann tief unten. Erstmal bin ich ja noch ganz unternehmungslustig: Von Sonthofen nach Süden, irgendwo westlich der Parseier-Spitze zur Silvretta und dann ins Engadin, so ist zumindest der Plan. Die Allgäuer Kämme sind aber richtig hoch, schon an der Mädelegabel ist eigentlich kein Platz mehr zwischen Berg und Wolke. Die Aussicht, im nächsten, noch höheren Kamm auf der Schattenseite auf halber Höhe einzuschlagen, dazu noch in einer Gegend, die mir völlig unbekannt ist und nicht gerade landbar aussieht, das ist doch weit jenseits meiner Komfortzone, also erstmal zurück, zurück völlig ohne Plan, ein echter Anfängerfehler. Die Zeit bis zur Entscheidung vergeht mit sinnlosem Herumgestochere. Dann siegt doch die Neugier, wenn schon nicht ins Engadin, dann muss es wenigstens ein neuer Weg werden, also dem Tannheimer Tal entlang. Aber leider geht hier gar nichts, nächster Kamm, nichts, andere Talseite, nichts. So langsam wird mir mulmig und ich will nur noch in einfaches und bekanntes Gelände, talauswärts Richtung Reutte. Trotzdem natürlich weiter probieren. Ich hänge im Talwind, deutlich zu spüren. Also die Standards ausprobieren. Ein Sonnenhang im Lee bringt nichts, weiter zur nächsten Luvkante. Hier geht's rauf, 2m/s und fast 1000m, uff.
11:36 - 12:50 Zurück durch Wetterstein und Karwendel - Der Flug bleibt ein Auf und Ab der Höhen (und Gefühle). Die Nordströmung, die mir auf dem Hinweg manches mal das Leben schwer gemacht hat, beschert mir nun einen einfachen und angenehmen Rückflug, entlang an den Nordflanken der Mieminger, des Wettersteins und des Soierngrates. Ab hier lädt das Karwendel aber weit nach Norden aus, es stehen schon viele Grate und Berge dem Wind im Weg und so weit nach Norden ausweichen, das wäre ja ein Riesenumweg. Also folge ich den sonnenbeschienen Hängen mit vielversprecheden, ins Lee versetzten Wolken. Am Reitstein tut's das auch noch mal ganz gut, ab da fehlt mir aber jede Linie. Zum Schluss bleibt mir doch nur noch die Flucht nach Norden, zumindest für mein Gefühl recht niedrig rutsche ich über den Spitzingsattel. Kaum im Luv, geht es auch wieder aufwärts
12:50 - 14:09 Größte Höhe - In der beruhigenden, bekannten Umgebung setze ich weiter auf die Luvseite um komme damit gut voran. Bei einem Höhengewinn von 1000m komme ich bis bis zum Schneeberg auf einen Cross-Country-Schnitt von 85km/h. Es geht fast zu gut, immerhin ist es Anfang Mai und schon nach 16:00 Uhr Lokalzeit.
14:09 - 14:27 Die Falle geht auf... - Nachdem das so gut ging, kann man nicht nach Hause fliegen. Also die klassische Linie über das Hochgründeck, trägt zwar, aber mehr auch nicht. Eigentlich wollte ich doch ins Luv, also rüber zur Tauerseite. Dort empfängt mich ein richtig ordentlicher Tritt in den Hintern und zersteut alle Bedenken.
14:27 - 15:07 ... und schnappt zu - Der furiose Start an den Niederen Tauern schaltet das Denken erstmal aus, viel zu spät fällt mir auf, dass eigentlich gar nichts mehr geht. Erst an der Planei wir mir klar, dass der Plan eines schnellen Fluges im Luv der Tauern nicht aufgehen wird. Gleichzeitig wir mir aber auch klar, dass Niederöblarn schon die viel bessere Wahl gegenüber Zell ist, besonders wegen der Landemöglichkeiten auf den letzten Kilometern. Ich beginne, mich mit der Idee eines Ausfluges zur Sport-Union anzufreunden. Vielleicht noch Sauna oder Tennis nach der Landung? Entsprechend eher unambitioniert sind meine Rettungsversuche am Hauser Kaibliing und in der Folge. Wie im Tannheimer Tal, kann man die Motivation am Flugweg ablesen. Die Frequenz von Niederöblarn schon im Funk, praktisch im Platzrundenhöhe, fliege ich noch einen sonnenbeschienen Klapf südlich des Platzes an. Nur der Vollständigkeit halber.
15:07 - 16:30 Second Showdown - Das böse Weib hat irgendwie mitbekommen, dass ich einen Abend in Niederöblarn nicht so schlecht fände. Der Bart im Platzrundenbereich geht noch mal bis 2600m. Aus dieser Höhe landet es sich schon schwer und außerdem weiß ich vom Herweg ja, wie es nicht geht. Also muss ich es auf dem Rückweg nur anders machen. Im Nachhinein höre ich hämisches Gekichere. Wieder ist der Anfang nicht so schlecht, ein kleines Bärtchen bringt 140m dazu. Ab hier sind die Niedern Tauern aber unter dichten 8/8 Wolken abgeschattet, Sonnenflecken sind auf der Rossbrand-Linie. Also da hin, die Labilität war ja den ganzen Tag nicht schlecht. Jetzt nur nicht die Geduld verlieren, ein ordentlicher Bart, und ich bin quasi daheim. Südlich des Dachstein geht noch was, aber während ich kreise, versinkt die Landschaft unter mir in dunklen Schatten. An der Rossbrand-Nordseite steht noch Sonne auf den Westflanken, aber der Weg dorthin lässt die Hoffnung und die Höhe sinken. Statt bequem über dem Grat, komme ich nach heftigem Saufen im Hang in den flachen Waldrücken an. Steigen ist da, aber nirgends ein Auslöser. Ich hangele mich weiter, von Sonnenfleck zu Sonnenfleck, aber der schöne, labile Nordwind-Tag hat viele Wolken und viel kalte Luft hinterlassen. Den Versuch, zum Rettungsbart auf der Schneeberg-Westseite zu rutschen, muss ich mangels Höhe abbrechen. Ein kleiner Adrenalin-Stoß, als mir der LX20 die St. Johanner Wiese 16km weiter entfernt anzeigt, als ich vermute. So verflogen? In Wirklichkeit habe ich aber beim Laden der Datei "nur" Sekunden und Minuten-Zehntel verwechselt. Wer diesen Müll verzapft hat... Nachdem ich um die Ecke biege, ist zum Glück alles am rechten Ort.
16:30 - 16:35 Landung im St. Johann im Pongau - Die 50 Schilling-Wiese nördlich des Sportplatzes ist bei Nordwind wirklich problemlos, Langer, flacher Anflug über's Fußballtor, mit dem Rad knapp über die Latte, die Flutlichtmasten stehen weit genug weg. Dann wieder ein Klassiker: Nachdem ich über der Schwelle bin, hört jede Anspannung auf. Klappen nicht ganz draußen, nach der Landung nicht gebremst. Auf dieser Wiese kein Problem, aber wenn sie kürzer ist, oder im hinteren Teil ein paar Pfosten stehen? Unnötiges Risiko, nur weil ich die Landung nicht konzentriert bis zum Ende fliege, da ist mein Anspruch an mich selbst eigentlich höher. Statt der Sauna ist jetzt warten angesagt. Nach einer Stunde kommt der Bauer vorbei, er hilft noch, den Kestrel zurückzuschieben. Die 50-Schilling-Wiese kostet inzwischen 20 Euro. Inflationsbereinigt seit Mitte der 70er ist das wohl ok, hauptsache, die Option bleibt erhalten. Franz und Ali holen mich heim, ein ganz dickes, liebes Dankeschön dafür.
Valid XHTML 1.0!