Mittwoch, 27. August 2008 Streckenfluglehrgang I
(von JAN LYCZYWEK)
Interessant an diesem Flug:
- Standardabflug bis Zell am See
- Zell-Grimming
- Grimming-Kreuzjoch
Stichworte: Zell;Wallerberg; Rennstrecke Ost; Pinzgau; Reit im Winkl; Ausbastler
Time: UTC
08:40 - 09:07 Für Ende August eine relativ frühe Startzeit. Ausklinken klassisch am Rechenberg in knapp 1600 m MSL. Die Taktik hier: erstmal etwas Höhe tanken, auch wenn die ersten 200 Höhenmeter mit 0,6 m/s mühsam sind. Dann erst den ganzen Rücken absuchen, um was Besseres zu finden. Für spätere Berechnungen der Schnittgeschwindigkeit nehmen wir der Einfachheit halber 11:00 als Abflugzeit am Rechenberg.
09:07 - 09:10 Wenig überzeugend heute: der Gipfelbart an der Hörndlwand. Die Höhe reicht zum Durchgleiten zum Dürrnbachhorn.
09:10 - 09:14 Thermiksuche am Dürrnbachhorn. Die Westecke des Grates (auf die der Anflug zielte) bringt nichts, also biege ich links ab und fliege die Gratlinie nach Osten ab. Häufig lohnt es sich, den Grat ganz bis an seine Ostecke abzufliegen. An diesem Tag schien mir ein etwas vorgelagerter, unscheinbarer Waldbuckel vielversprechender zu sein - zwar niedriger, aber deutlich über dem Auslöser zu erreichen. Ich biege erneut ab. Das hat funktioniert; 2000 m MSL reichen zum Abflug Richtung Steinplatte.
09:14 - 09:17 Gleitflug zur Steinplatte. Auch auf solchen kurzen Gleitstrecken niemals einfach schnurgerade die Kurslinie abfliegen, sondern die Linie suchen (daher diese merkwürdigen Schlenker zu Anfang). Der Lohn der Mühe: vom Abflug aus dem Bart bis zur Ankunft am Steinplattengipfel eine Gleitzahl von 64 bei 115 km/h; mein Flugzeug bringt in ruhiger Luft gerade die Hälfte, der Rest ist Linienwahl und der Höhenverbrauch für dieses Gleitstück damit halbiert.
09:17 - 09:23 Der Schlenker entlang der steilen Südwand der Steinplatte ist Glaubenssache; man hofft eben doch jedesmal, einen guten Bart zu finden. Hier war der Versuch eher überflüssig. Grundregel: Ein Höhengewinn von unter 100 Metern pro Bart (wie hier) lohnt nur selten.
09:23 - 09:27 Normalerweise steht der Bart am Ulrichshorn hier auf der Ecke, wo ich einen unmotivierten, großen Suchkreis drehe. Abwägung: Entweder nach Osten das große Felskar ausfliegen. Vorteil: die hohen Berge bieten der Thermik lange Laufstrecken am aufgeheizten Fels. Nachteil: ich wäre unter Grat. Oder aber über den Pillersee nach Westen queren. Nachteil: zusätzlicher Höhenverlust für die Querung. Vorteil: Ankunft über dem niedrigeren Auslöser. Das hat am Dürrnbachhorn schon geklappt, also rüber!
09:27 - 09:32 Na also, geht doch. Schlauer wär es gewesen, gleich von der Steinplatte hierhin durchzugleiten - ohne die Sucherei an der Steinplatte und am Ulrichshorn wären wir hier nämlich nicht nur früher, sondern auch höher gewesen! Routine ist nicht immer ein Vorteil.
Standard-Thermikauslöser für dieses Manöver ist normalerweise übrigens nicht der Kirchberg, sondern direkt im Anschluss südlich davon der Wallerberg; er hat eine längere Süd(ost)flanke.
09:32 - 09:37 Trotz des Höhengewinns am Kirchberg eine etwas blöde Situation: Fernziel sind die Hänge auf der Linie Spielberghorn - Asitzkogel - Sausteigen, aber natürlich deren Südseite. Man müsste also darüber ankommen und dass das in einem langen Gleitsprung mit der Ausgangshöhe von knapp über 2000 m MSL nicht zu schaffen ist, ist von vornherein klar. Deswegen müssen wir entweder auf dem Weg noch einmal kurbeln oder aber eine sehr gute Linie treffen.
09:37 - 09:42 Die Linie vom Kirchberg bis zur Buchensteinwand war mit Gleitzahl 73 wirklich nicht schlecht. Ein Wort zu den dabei geflogenen Geschwindigkeiten: 109 km/h war der Durchschnitt für dieses knapp 9 Kilometer lange Gleitstück. Das scheint auf den ersten Blick eher viel, wollten wir doch so sparsam fliegen wie möglich. Warum also nicht mit der Geschwindigkeit des "allerbesten Gleitens" von etwa 90 km/h fliegen? Aus zwei Gründen: der Verlust in diesem Bereich der Polare ist minimal, theoretisch gleitet das Flugzeug bei 90 mit 36 und bei 110 mit 33. Aber: die "Verwundbarkeit", also der Verlust beim Einflug in plötzliches Saufen, ist aus 90 km/h viel größer als aus 110 km/h. Deswegen fliegen wir selbst in solchen marginalen Situationen niemals mit "allerbestem Gleiten" oder, was dazu äquivalent wäre, mit einem McCready-Wert von 0 (das können wir uns allenfalls in garantiert toter Luft - also abends - oder bei starkem Rückenwind erlauben) - sondern immer mindestens McCready 0,5.
Zur Buchensteinwand: der kleine, isolierte Berg ist manchmal als letzter Rettungsanker zu gebrauchen. Im Beispielflug bringt er leider nichts. Also gleiten wir weiter, St. Johann/Tirol bleibt ja komfortabel erreichbar.
09:42 - 09:50 Warum nicht südlich um das Spielberghorn herumfliegen und direkt in die angepeilten Südflanken von Kohlmaiskogel, Asitzkogel und Sausteigen gleiten? Aus der Höhe wäre das wohl gegangen, war mir aber zu heikel: der Sattel südlich vom Spielberghorn ist hoch, flach und vor allem lang, St. Johann hätte ich mir damit abgeschnitten. Stattdessen nehme ich lieber die kurze Südflanke des östlichen Spielberghorn-Ausläufers. Nicht großartig, aber die Höhe reicht zum Queren an den Kohlmaiskogel. So war es die sicherere Alternative.
09:50 - 10:00 Die Steigwerte bleiben bescheiden, aber immerhin macht die Basishöhe hier eine erste Stufe von 2000 auf 2200 m, die auch am Barogramm sehr schön zu sehen ist. Für eher sommerlich-stabile Tage ist so ein gestufter Verlauf der erreichbaren Höhen typisch, besonders solange es noch blau ist.
10:00 - 10:12 Die Sausteigen war ungewöhnlich enttäuschend, aber sich in den Keller herunterzusuchen bringt auch nichts. Also Querung zur Schwalbenwand gegenüber. Der Tag hat bisher gezeigt, dass unter Grat nicht viel zu holen war; trotz 2200 m (blauer) Basis will ich daher nicht wesentlich unter 2000 m kommen. Deswegen schalte ich doch nochmal einen Gang zurück und nehme das schwache Bärtchen an der Schwalbenwand mit. Immerhin erlaubt die zusätzliche Höhe, auf die Südseite des Hundsteins zu kommen.
Zeit für ein bisschen Statistik: in der ersten Stunde haben wir 43 km zurückgelegt, bei einem mittleren Steigen von 0,9 m/s, Kurbelanteil 44%. Das klingt schlecht, ist aber für den typischen Unterwössen-Abflug durchaus nicht ungewöhnlich. Aus dem Tag kann trotzdem noch was werden, also nicht frustriert aufgeben.
10:12 - 10:15 Hangachten in der dünnen Schicht der unter Grat schwachen Hangthermik bringen heute wirklich nichts.
10:15 - 10:23 Also schauen wir uns wieder um: wo ist in der Nähe eine zwar niedrigere Thermikstelle, die aber über dem Auslöser erreicht werden kann? Eine Nase mit kleinem Vorgipfel, bewaldet, geht. Hätte der nicht funktioniert, dann hätte ich mich trotz der noch 1800 m wohl nicht mehr weit in das unlandbare Tal nach Osten vorgewagt, sondern mich suchend Richtung Zell zurückorientiert.
10:23 - 10:36 Kawumm! Der erste richtige Bart des Tages am westlichen Schneeberg. Der Unterschied ist schon am mittleren Steigwert zu sehen (2,0 m/s) und auch im Barogramm: die nächste Höhenstufe des Basisanstieges ist erreicht. Warum ausgerechnet hier? Vielleicht war der etwas zurückgesetzte Auslöser besser vor der Talinversion geschützt, aber vielleicht ist es auch einfach die Tageszeit, zu der endlich die nötigen Auslösetemperaturen erreicht sind. Immerhin ist es schon Ende August. Abflug mit 2500 m, und den McCready hoch auf 1,0 m/s. Noch nicht mehr, es war erst der erste gute Bart.
10:36 - 10:37 Der Gleitsprung vom Schneeberg quer über die Außenlandewiese St. Johann/Pongau rüber zum Hochgründeck war mit Gleitzahl 51 akzeptabel, aber das Hochgründeck ging nicht. Dafür geht, mal wieder, der vorgelagerte kleine Auslöser und bestätigt mit 2,0 m/s Durchschnittssteigen, dass der Tag aufgewacht ist.
10:37 - 10:44 Der McCready kann hoch auf 1,5. Dass trotzdem keine hohen Vorfluggeschwindigkeiten geflogen werden, liegt an den guten Linien: der Witz beim Linienfliegen ist ja, dass man durch ständige Links-Rechts-Variation versucht, möglichst durch steigende Luftmassen zu fliegen, oder anders ausgedrückt, "den Sollfahrtgeber zum Piepsen zu bringen". Die Linie ist also umso besser getroffen, je geringere Vorfluggeschwindigkeiten der Sollfahrtgeber bei gegebenem McCready-Wert fordert. Der genaue Wert der McCready-Einstellung ist dabei übrigens ziemlich egal. Hier im Beispiel wäre 1,0 auch in Ordnung, wenn auch etwas vorsichtig, 2,0 hingegen wäre mir schon zu aggressiv, nachdem die Bärte gerade mal 2,0 m/s bringen.
10:44 - 10:54 Rossbrand-Westecke - oft nicht schlecht, besonders am späteren Nachmittag. Das folgende Gleitstück mit quasi-unendlicher Gleitzahl ist Linienfliegen, wie es Spaß macht. Man sieht: mit 120 km/h bleibt die Vorfluggeschwindigkeit immer noch äußerst verhalten, obwohl wir im besten Wetter dieses Augusttages angekommen sind. Die Schnittgeschwindigkeit (Reisegeschwindigkeit) wird jetzt trotzdem richtig gut.
10:54 - 11:00 Linienwechsel: von der "Linie der Waldbuckel" (Hundstein - Schneeberg - Hochgründeck - Rossbrand) wechseln wir auf die "Linie der Kalkwände" ab Dachstein-Südwestecke (Scheichenspitze). Ob man dazu unbedingt so einen deutlichen Haken fliegen muss, sei dahingestellt. Taktisch wichtig: im Kalk kommen wir deutlich unter Grat an. Das ist zu dieser Tageszeit und in der komfortablen Höhe von 2400 m aber kein Grund, sich unter der Wand im ersten Heber mit Achten oder gar kurbelnd festzubeissen! Stattdessen folgen wir hier einfach weiter der Wand, deren mittlere Grathöhe nach Osten sowieso abfällt, während wir vielleicht sogar im Geradeausflug steigen.
11:00 - 11:05 Statistik der zweiten Stunde: 77,5 km zurückgelegt, mittleres Steigen 1,2 m/s, Kurbelanteil 27%. Interessant: das Steigen hat sich gegenüber der ersten Stunde nur um ein Drittel verbessert (von 0,9 auf 1,2 m/s), aber die Schnittgeschwindigkeit hat sich beinahe verdoppelt! Der drastisch gefallene Kurbelanteil zeigt, wie das gehen kann: die tragenden Linien erhöhen den Schnitt.
11:05 - 11:15 Wie geplant sind wir mittlerweile schön über Grat und können bequem in den Standardbart an der Kammspitze eindrehen.
11:15 - 11:42 Erster strategischer Fehler des Fluges: ich drehe um, obwohl im Osten das Wetter weiterhin gut aussieht. Ich pokere aber darauf, im Westen noch besseres Wetter vorzufinden und hoffe, die zweite Wende deutlich westlich von Innsbruck legen zu können, um dann abends aus Westen mit Rückensonne heimfliegen zu können. Blödsinn, denn erstens lässt man sichtbar gutes Wetter nicht für hoffentlich noch besseres Wetter stehen und zweitens kürzt man den ersten bzw. zweiten Streckenschenkel nicht ohne zwingenden Grund ein.
Zunächst scheint die Rechnung aber aufzugehen: ich fliege dieselben schönen, schnellen Linien wie auf dem Hinweg zurück Richtung Zell am See.
11:42 - 11:55 Merke: Pulks von mehreren Flugzeugen markieren nur selten gutes Steigen. Trotzdem lässt man sich immer wieder verführen, unter einem vermeintlichen Bojen-Pulk einzusteigen, zumal wenn dieser, wie hier, an einer Standardstelle kurbelt: typischerweise steht der Bart am Rossbrand nämlich wirklich genau am Sender. Aber 1,3 m/s darf man in solchem Wetter nicht kurbeln; tatsächlich steht der Hauptbart mit 2,0 m/s unmittelbar daneben. Kaum habe ich den markiert und sichtbar demonstriert, dass es hier besser geht, trachtet mir ein Doppelsitzer aus dem Pulk hartnäckig nach dem Leben.
11:55 - 12:00 Dieser Haken, durch eine breite Wolke herausgefordert, ist wahrscheinlich nicht optimal: selten einmal hat eine beste Linie so wenig mit dem Gelände zu tun. Immerhin lässt mein mordlüsterner Verfolger von mir ab und bleibt unter der Wolke kurbelnd zurück.
12:00 - 12:03 Dritte Stunde: 103 km zurückgelegt, mittleres Steigen 1,9 m/s, Kurbelanteil 12 %. Das sind auf der Jojo-Rennstrecke der Nordalpen zwar durchaus übliche Werte, mit denen man aber auch zufrieden sein kann. Andererseits: Zeit zum Heimkommen ist reichlich, beispielsweise für die Standardstrecke Grimming-Gerlos tut es auch ein 75er Schnitt locker.

12:03 - 12:18 Vor lauter Euphorie über den 100er Schnitt der letzten Stunde und die schönen Linien fange ich mir hier einen deutlichen Dämpfer ein: ich komme am Schneeberg minimal unter Grat an, was man an der Flugwegdarstellung schön daran erkennt, dass der Flugweg nicht mehr der höchsten Gratlinie folgt, sondern sich wie eine Höhenlinie an das Gelände anschmiegt. Ein klarer taktischer Fehler, denn jetzt kommt ich nicht mehr an die Hauptauslöser des Schneebergs über den beiden Gipfelkuppen, sondern muss entweder versuchen, in der Hangthermik zu steigen (was, wie man an den Achten sieht, nicht klappt), oder aber darauf warten, dass sich an einem vorgelagerten niedrigeren Auslöser ein Bart bildet. Der Profilknick der südwestlich herauslaufenden Rippe tut mir den Gefallen, allerdings erst nach 5 Minuten Wartezeit. Solches Warten lohnt nur, wenn kein anderer erfolgversprechender Auslöser in Reichweite ist und die Höhe leicht gehalten werden kann, man also nicht Gefahr läuft, sich an dieser Stelle nach unten zu suchen. Oft gelingt das Höhehalten in den blubbernden Vorboten der eigentlichen, noch nicht abgelösten Blase. Wenn sie dann ablöst, liefert sie dann durchaus gute Steigwerte, wie hier mit 2,3 m/s.

12:18 - 12:25 Meistens ist es schlauer, anders als hier, über den Honigkogel und seinen kräftigen Nachmittagsbart Richtung Schmittenhöhe zu queren.
12:25 - 12:40 Die Schmittenhöhe kann deutlich über Gipfel sehr gut gehen (wie hier), unter Grat ist sie wegen ihrer weit ausladenden Rippen, schlecht definierten Auslöser und vielleicht auch wegen des über den See um ihre Ecke herumblasenden Talwindes etwas zickig. Hier beginnt nun der berühmt-berüchtigte Pinzgau nach Westen. Tragende Linien suchen, aber nicht zu tief in die flachen, auslöser-armen Hänge sinken – dann vorher lieber mal kurbeln!
12:40 - 12:45 Der klassische Pinzgau-Versenker: die Querung über den Pass Thurn und weiter bis zum Wildkogel ist weit, man findet die Linie nicht, entsprechend mäßig ist die Gleitzahl und schon kommt man am Wildkogel unter Grat an. Wenn man sowas kommen sieht, gleich leicht das Gas rausziehen und den McCready-Wert zurücknehmen, hier auf 1,0.
12:45 - 12:50 Der Wildkogel scheint leicht vom Nordwind überströmt zu sein, so dass man auf seiner Südseite im Lee vielleicht Saufen antrifft, zumindest aber keine organisierte, nutzbare Hangthermik. Besonders dann, wenn der Nord (und das resultierende Lee) deutlich zu spüren sind, sollte man eigentlich so früh wie möglich die Talseite wechseln.
12:50 - 13:00 Ich habe hier stattdessen auf einen Sonnenfleck mit schöner Wolke weiter talauf gesetzt – und richtig gelegen. Hätte es nicht geklappt, dann hätte ich umdrehen und eine der Wiesen in Bramberg nehmen müssen.
13:00 - 13:03 Statistik vierte Stunde: 77 km zurückgelegt, mittleres Steigen 1,7 m/s, Kurbelanteil 33%. Warum ist der Schnitt hier soviel schlechter, obwohl das Wetter doch vorher offensichtlich einen 100er Schnitt ermöglicht hat? Zunächst der Einbastler am Schneeberg; 5 Minuten Zeitverlust bedeuten allein schon etwa 8 km Verlust. Vor allem aber die im unteren Pinzgau nur mäßig geglückte, im oberen Pinzgau schlicht misslungene Liniensuche und der dadurch deutlich erhöhte Kurbelanteil hat Zeit gekostet – viel mehr als das etwas schwächere Steigen selbst (1,7 statt 1,9 m/s), das ich infolgedessen annehmen musste.
13:03 - 13:12 Jetzt rächt sich mein strategischer Fehler von der ersten Wende. Zwar ist der Westen tatsächlich stärker entwickelt, nur leider überentwickelt. Die große, dunkle Wolke am Kreuzjoch beginnt zu regnen, als ich unter ihr ankomme. Es wäscht mich herunter und ich flüchte mit großem Höhenverlust weiter ins noch sonnige Zillertal. Zwei Gänge zurückschalten: McCready zurück auf 0,5.
13:12 - 13:18 Der Versatz in diesem schwachen Bart zeigt, dass der Talwind noch funktioniert und taleinwärts weht. Angesichts des dicken Schauers am Kreuzjoch hätte es nämlich auch gut sein können, dass die im Schauer herabstürzende Kaltluft (eben jene, die mich herunterwusch) schon talauswärts fließt.
13:18 - 13:22 Dass der Talwind wirklich noch taleinwärts fließt, also von Norden kommt, bestätigt auch dieses schöne Lee an der Südseite der nächsten Rippe. Die Erkenntnis kostet mich nochmal 250 m Höhe, verschafft mir aber immerhin die eigentlich naheliegende Idee,…
13:22 - 13:36 …an der Nordseite dieser Rippe nach Hangaufwind zu suchen. Hier müsste der Talwind ja eigentlich draufstehen. Geht auch; dass etwas weiter sogar ein Bart steht, muss mir allerdings der diensthabende Steinadler zeigen.

13:36 - 14:12 Wieder auf 2600 m MSL, aber was tun? Nach Westen sieht alles undurchsichtig, überentwickelt und schaurig aus. Also wieder zurück nach Osten? Dem Flugweg der nächsten halben Stunde sieht man eine gewisse Planlosigkeit an. Von dieser oder ähnlichen Routen durch die Kitzbühler ist in geringer Höhe generell abzuraten! Die Wege nach Norden zu den Außenlandemöglichkeiten sind lang, umwegintensiv und schlecht einsehbar, das Gelände unübersichtlich und bietet keine durchgehenden Linien. Nicht nachmachen. Auch taktisch ist diese halbe Stunde kein Ruhmesblatt: sicher hätte es elegantere Lösungen gegeben, als nur mit Gewalt in den Pinzgau zurückzuwollen.
14:12 - 14:33 Immerhin, endlich zurück auf der Rennstrecke und prompt geht es mit ordentlichen Steigwerten aufwärts und mit erfreulichen Gleitzahlen vorwärts.
14:33 - 14:55 Standardbart am Honigkogel, besonders am späteren Nachmittag eine ziemlich sichere Bank.
14:55 - 15:00 Hoppala, die Steigwerte nehmen ab. Zeit umzudrehen.
15:00 - 15:40 Statistik sechste Stunde: nach dem Desaster der fünften Stunde, die mit dem Ausbastler im Zillertal und dem Hauen und Stechen in den Kitzbühlern fast kilometerlos draufging, immerhin wieder 73 km zurückgelegt, bei 24 % Kurbelanteil und 2,0 m/s mittlerem Steigen. Eher wenig Schnittgeschwindigkeit für diese Kombination aus Steigwerten und Kurbelanteil; man hätte also etwas aggressiver vorfliegen dürfen.
15:40 - 15:46 Zurück am Honigkogel, normalerweise ein guter Endanflugbart; eine Stunde zuvor ging er noch bis 2700, was mir knapp nach Hause reicht. Ab hier beginnt nun endgültig der Non-Standard-Teil des Fluges: Sehr ungewöhnlich ist nämlich, dass die Basis hier abends abgesunken ist; in 2400 m bin ich an der Wolke.
15:46 - 15:50 Wenn ich heimkommen will, brauche ich noch mindestens einen Bart. Am Sausteigen komme ich knapp über Grat an, sinke dem Bergrücken entgegen und muss mich entscheiden: Von links steht noch etwas Sonne in den Hängen, von rechts der Nordwind. Sonnenseite oder Windseite?
15:50 - 15:55 Falsche Entscheidung, das Lee ist stärker als die Sonne. Also Talseite wechseln und raus aus dem unlandbaren Glemmtal Richtung Osten – vielleicht reicht es noch bis Zell.
15:55 - 16:45 Sachen gibt’s… Ein Blubberbart im schattigen Nordhang. Versteh ich auch nicht, schenkt mir aber eine zweite Chance aus 2300 m. Zumindest St. Johann habe ich jetzt sicher.
16:45 - 16:51 1600 m bei Erbendorf, noch 18 km bis Unterwössen. Ein auf McCready = 0 eingestellter Endanflugrechner würde folgendes rechnen: bestes Gleiten des Standard Cirrus 36, Höhenbedarf für 18 km also 500 m, Ankunftshöhe 1100 m MSL, entsprechend 550 m über Platz. Der Rechner zeigt also an: +550 m über Gleitpfad. Das klingt angesichts der kurzen Distanz mehr als reichlich und wer Anflüge im Flachland gewohnt ist, würde auf eine solche Prognose sicher vertrauen. Im Gebirge haut das nicht unbedingt hin:
- Gegenwind durch den Talwind, je tiefer, desto mehr
- die Talwinddüse in dem engen Tal zwischen Unterberghorn und Fellhorn sorgt für noch höhere Gegenwindgeschwindigkeiten
- auch am Sonnenhang (hier der Westhang des Fellhorns) verbläst der parallel die Hänge entlangstreichende Wind die Thermik
- und der Masererpass zwischen Reit im Winkl und Unterwössen muss noch überflogen werden.
Diesen Anflug kann man also nur wagen, wenn man die Außenlandewiesen auf dem Weg genau kennt! Wer stressfrei fliegen will, fliegt aus derselben Situation ganz entspannt nach St. Johann/Tirol zurück und gönnt sich den Komfort einer Landung auf dem Flugplatz. Allemal die vernünftigere Entscheidung.
16:51 - 16:56 Ich probiere es trotzdem, und tatsächlich: Die ersten zehn Kilometer des Anfluges haben sechshundert Höhenmeter gekostet, Gleitzahl also knapp 17 statt 36. Über den Masererpass reicht es garantiert nicht mehr. Eine eindrucksvolle Demonstration, dass man die Prognosen des Rechners kritisch hinterfragen muss. Die Rechner sind deswegen nicht schlecht, nur können sie im Gegensatz zum Piloten eben nicht nach vorne schauen.
16:56 - 17:00 Nach einer weiträumigen Inspektionsrunde Gegenanflug auf die Wiese in Reit im Winkl; der Endanflug wäre dann aus Süden. Dass an der „Position“ ein Abend- bzw. Umkehrthermikbart weggeht, ist reiner Dusel. So etwas zu nutzen, ist gefährlich, weil man allzu leicht zu langsam fliegt. Wenn, dann ganz bewusst mit reichlicher Fahrtreserve kurbeln und den Faden deutlich auf die Außenseite!

Fazit: Bis 15:00 weitgehend ein Standardflug, danach einer der etwas spannenderen Sorte – aber immer mit sicheren Außenlandemöglichkeiten, größtenteils sogar mit erreichbaren Flugplätzen.